Die weltweit berühmt gewordene Rettung vom Gauli Gletscher mit den beiden Fieseler Störchen war keineswegs eine verwegene Zufälligkeit, sondern das Resultat gewissenhafter Erprobung und Weiterentwicklung von Materlial und Technik. Federführend dafür waren die beiden Obersten der Fliegerturppe Dr. Othmar Bloetzer und André Bridel in den Jahren 1942 bis 1945, die mit den Fieseler Störchen hunderte von Flügen und Landungen im Gebirge auf Skiern ausgeführt und dabei ca. 45 Menschen gerettet haben.
Diese Rettungen haben den St. Moritzer Hotelier Fredy Wissel, der erst mit 40 Jahren seinen Motorflugschein gemacht hatte, inspiriert seinerseits über Landungen in den Bergen nachzudenken. Ein glücklicher Zufall wollte es gar, dass Viktor Hug, einer der Retter vom Gauli Gletscher im Jahr 1950 im Hotel von Wissel abstieg, und natürlich wollte Fredy von ihm alles über Landungen im Gebirge wissen. Der Funke ist sofort übergesprungen, hat ihn doch Hauptmann Hug ermuntert, selber solche Landungen zu versuchen. Nur 6 Tage später machte Wissel seine erste Landung in den Bergen auf der 2400 Meter hohen Corviglia mit einer 65 PS Piper L4. 2 Monate später landete er auf der Diavolezza und noch im gleichen Jahr auch auf dem rund 3000 Meter hohen Corvatsch. Diese Landungen liegen also mindestens ein Jahr vor denen Hermann Geigers. Damit ist Wissel eindeutig der erste zivile Gletscher und Rettungspilot der Schweiz.
Wissel der von Anfang an der Schweizerischen Rettungflugwacht mit Hilfls und Rettungsflügen in den Bündner Alpen zur Verfügung stand, ist bis ins hohe Alter seiner Passion dem Fliegen und insbesondere dem Gletscherflug treu geblieben.
Sein zweites Flugzeug war eine dänische KZ VII, das mit Festskiern ausgestattet war und daher nur bei Schneepiste in Samaden starten konnte. Im Volksmund hatte dieses erstaunliche kurzstartfähige Kleinflugzeug wegen seiner festen Vorflügel nicht ganz zu unrecht den Namen Dänischer Storch erhalten. Bald einmal nannte Wissel auch eine Piper Super Cub sein eigen, und noch etwas später war er auch Besitzer zweier Maule M4, die beide selbstverständlich mit Skiern ausgestattet waren. Nebst unzähligen Rettungen stehen auch eine stattliche Anzahl von touristischen Flügen mit vielen prominenten Gästen des Nobelkurortes St. Moritz in Wissels Flugbüchern. Eine persönliche Widmung von Schah Resa Pahlavi habe ich selber in einem der alten Flugbücher in Augenschein genommen. Fredy Wissel starb 1994 im Alter von 90 Jahren in St. Moritz.
Wissel sollte nicht lange der einzige in der Schweiz bleiben, der es wagte auf privater Basis Rettungen im Hochgebirge auszuführen.
Der Polizist und begeisterte Segelflieger Hermann Geiger kam im Jahre 1947 nach Sion um dort den Posten als Flugplatzwärter anzunehmen. Ihm war dies abschätzige Bezeichnung einerlei, wenn er nur seinem grossen Traum etwas näher kam, im Gebirge fliegen zu dürfen. Die grossen Bauvorhaben an den Stauseen der damaligen Zeit brachten vor allem in den Wintermonaten erhebliche Versorgungsprobleme mit sich. Hermann Geiger erkannte sogleich die Marktlücke und machte sich mit zahlreichen Materialabwürfen über den Baustellen bald einmal unentbehrlich. Bald erkannte er, dass nicht nur Abwürfe machbar sein müssten, sondern dass Landungen durchaus möglich wären, und dass dies ganz neue Möglichkeiten bei der Versorgung, aber auch der Rettung von verletzten Personen eröffnen müsste. 1952 wagte er auf dem Kanderfirn seine erste Landung. Viele tausende folgten, und hunderte, wenn nicht tausende von Menschen konnten Dank Geigers unermüdlichem Einsatz aus Bergnot gerettet werden.
Hermann Geiger wurde so mit seinen Flügen bald einmal zu einem Schweizer Volkshelden. Er hat die Gebirgsfliegerei in den Alpen entscheidend geprägt, vor allem auch darum, weil er unermüdlich weitere Piloten in die Kunst der Gletscherfliegrei eingeführt hat. Zahlreiche heute klingende Namen reihten sich bei ihm als gelehrige Flugschüler ein. Henri Giraud in Frankreich gleichwohl wie Edi Bodem in Österreich oder Fernand Martignoni aus Sion. Vor allem diese rege Schultätigkeit auch all derer, die nach ihm kamen hat dazu geführt, dass sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich und Italien sich trotz schnellem Aufkommen der Helikopterrettungen eine echte Tradition des Gletscherfliegens hat durchsetzen und halten können. Diese Tradition ist ein grossartiges Vermächtnis Hermann Geigers, das wir nicht leichtfertig aufgeben dürfen.
Hermann Geiger starb 1966 im Alter von 52 Jahren während eines Schulungsfluges bei einer Kollision in der Platzrunde vom Flugplatz Sion.