Bericht von Andreas Furrer
Wir schreiben den 28. Mai 2005. Prächtiges Wetter, phantastische Schneeverhältnisse im Hochgebirge, die 0 Grad Grenze liegt auf über 4000 M.ü.M. – beste Bedingungen für ein hochalpines Schneebiwak!
Bereits um 6.30 Uhr morgens fand ich mich auf dem Flugplatz Raron ein. Schon jetzt war’s schwülwarm. Trotz stabilem Hochdruckwetter sagten die Meteorologen teils heftige Gewitter für den Abend und die Nacht voraus. Hoffentlich wird’s nicht zu arg werden im Blüemlisalp-Gebiet? Die Flugzeuge auf dem Gletscher zu vertauen ist zwar einfach – aber heftigen Sturmböen würden solche Verankerungen nicht unbedingt standhalten – die Schäden danach verheerend!
Weg mit diesen Gedanken! Nach einem Kaffee in der Clubhütte holte ich unsere Cub aus dem Hangar, belud sie, bis nichts mehr rein ging und startete Richtung Lötschental – Kanderfirn. Niemand war unterwegs um diese Zeit, die Hochgebirgsfrequenz war menschenleer. Unglaublich diese Ruhe und Schönheit. Wie wird wohl der Schnee sein bei diesen hohen Temperaturen? Trägt er noch oder sinkt man bereits morgens um diese Zeit ein? Ein kurzer Ãœberflug mit anschliessender Landung bei der Mutthornhütte. Der Schnee ist schon weich, läuft aber wunderbar. Jetzt gings dran, das Material in die Hütte zu schleppen. Bier, Esswaren, Wein, Flugzeugblachen, Bekleidung usw. Einfacher gesagt als getan! Beim Traversieren zur Hütte sank ich teilweise Hufthoch ein und einmal befürchtete ich sogar, ich käme aus dieser Falle alleine nicht mehr heraus. Nach einigem Fluchen und viel Schweiss, erreichte ich die Hütte. Ob das wohl gut gehen wird heute, wenn der Schnee bereits jetzt schon weich und faul ist? Wird das zweite Flugzeug mit Peter Brabeck und Peter Koch am späten Nachmittag noch landen können? Gedanken gingen mir durch den Kopf. Der Optimist siegte aber wieder. Bei der zweiten Traversierung ging’s schon besser. Die erste Spur hatte sich bereits verfestigt und die Einsinkpartien sind sichtbar und können gut umgangen werden.
Zufrieden flog ich nach Raron zurück und holte Markus Zürcher. Er soll der Mann sein, welcher uns das Erstellen eines Biwaks beibringen soll. Kurze Zeit später landeten wir wieder auf dem Kanderfirn. Nochmals Material in die Hütte schaffen, umziehen und an die Arbeit. Markus hatte bereits den idealen Schneebiwak-Platz gefunden und sondiert. Jetzt gings ans Schaufeln. Wir wollten ein Schneebiwak für 4 Personen graben. Zwischenzeitlich schlug es schon 11 Uhr. Wir gruben schon über eine Stunde in glänzendem Licht, im T-Shirt bei hochsommerlichen Temperaturen. Die Konturen unserer Suite sind schon erkennbar. Plötzlich hörte man das Knattern eines schweren Helikopters. Waren sie’s oder nicht? Das Stampfen wurde immer lauter und über dem Petersgrat sahen wir den wunderschön bemalten EC 135 der Air Zermatt. Ein, zwei Ãœberflüge und dann wurde gelandet. Bei laufenden Rotoren stiegen meine Frau Gaby, meine Mutter Gerlinde und mein Vater Art aus. Damit wir einen würdigen Gesprächsleiter abends hatten, nahmen wir Urs Leuthard von der Arena ebenfalls mit. Eine ganz illustre Schar!
Man hätte alle auch einzeln hochfliegen können, aber das dauerte mir zu lange! Ich fliege ja gern, aber so exotisch sind solche Unterfangen dann doch wieder nicht. X-mal und stundenlang das Gleiche. Den Rückflug wollen Peter Brabeck und ich dann aber selber durchführen. Runter geht’s schneller!
Die Frauen verzogen sich umgehend in die Hütte und bereiteten uns ein feines Mittagessen zu. Mein Vater war zuständig für den Wein. In der Zwischenzeit war unser Schneebiwak schon recht fortgeschritten. Ein paar Details und Verschönerungen noch und dann haben wir’s vollbracht. Als Markus gegen 13 Uhr die Temperatur im Biwak mass, lag diese bei plus 13 Grad! … und dies unter einer Schneedecke von über 2 Metern. Unglaublich diese Temperaturen im Mai hier oben. Am Himmel türmten sich bereits schwere Kummuluswolken. Wird es wohl den beiden Herren aus Lausanne möglich sein, noch zu kommen?
Das Mittagessen mundete hervorragend. Markus und ich gingen zurück zum Schneeloch, um dieses fertig zu stellen. Urs half uns dabei. Gegen 15 Uhr war die Arbeit vollendet. Insgesamt hatten wir daran 3 Stunden gearbeitet.
Wenn man also mal im Hochgebirge biwakieren muss, weiss ich jetzt wenigstens, was zu tun ist: Von der Oberfläche verschwinden! Unter einen Stein, unters Flugzeug oder eben ein Schneeloch graben. Wenn man unverletzt ist, so ist ein 2er Schneebiwak, je nach Schneeverhältnisse, in rund 2 Stunden gegraben.
16 Uhr. Der Himmel ist praktisch bedeckt, Gewitterzellen formieren sich, der Schnee ist durchweicht und das Licht diffus. Jetzt bin ich gespannt, ob die beiden mit der HB-ORV noch kommen werden. Weit und breit war nichts zu hören. Ich entschloss mich auf die Tschingelhörner zu klettern um dort mit dem Handy Peter Brabeck anzurufen. 30 Minuten Kampf standen mir bevor – ich glaubte nicht daran, den Gipfel jemals zu erreichen, so tief sank ich im Schnee ein. Schlussendlich, völlig erschöpft, erreichte ich Stelle, an welcher man Handy Kontakt hatte. Doch, es kam immerzu die Combox von Peter! Ausser Spesen und Schweiss, nichts gewesen. Also schickte ich ihm ein SMS mit dem Hinweis auf die schlechten Sicht- und Schneeverhältnisse und bat ihn, mir morgens dann beim Rückflug zu helfen. Ich stieg wiederum ab zur Hütte und plötzlich hörte ich das Schnurren eines Sportflugzeuges. Als es näher kam sah ich, dass es die Romeo-Viktor aus Lausanne war. Ein kurzer Ãœberflug mit anschliessend perfekter Landung und die Letzten im Bunde waren auch da. Herzlich begrüssten wir uns und freuten uns auf das Wiedersehen. Mein Vater brachte die schneegekühlte Champagnerflasche und wir stiessen alle gemeinsam an. Phantastisch schön!
Nach gut einer Stunde Apéro wurden die Flugzeuge für das Nachtlager vorbereitet und gut vertaut. Die Skier wurden mit Brettern aufgebockt und alsdann der Schnee rundherum entfernt. Am nächsten Morgen sind die Skis somit garantiert nicht angefroren! Auf das Anbringen von Flugzeugblachen verzichteten wir. Es war so mild und warm – an Rauhreif war nicht zu denken.
Danach zogen wir uns in die Hütte zurück. Die Wolken kamen immer dichter und schlussendlich nebelte es uns ein. Blitze zuckten um uns herum. Wir sassen vor der Hütte, tranken Wein und schauten dem wunderschönen und eindrücklichen Szenario zu. Es war warm, windstill und bei uns regnete es nicht einmal. Plötzlich verzogen sich die Wolken und machten den abendlichen Sonnenstrahlen Platz. Die Umgebung wurde in ein unglaublich mystisches Licht getaucht. Für kurze Zeit meinte man, man sei auf einem anderen Planeten. Wunderbar!
Trotz all den Schönheiten, der Hunger meldete sich gleichwohl! In der Hütte warteten unsere Frauen auf uns mit einem schmackhaften Z’Nacht. Spaghetti Bolo, Syrah, Walliser Roggenbrot, Hamme, Trockenfleisch und Käse standen bereit. Es war wohl eines der besten Nachtessen seit langem für mich. Auch allen anderen schmeckte es vorzüglich. Beim anschliessendem „Abusitz „verging die Zeit im Fluge und auch die Flaschen leerten sich ziemlich rasch. Gegen 10 Uhr ging’s ins Bett, also ins Schneeloch! Jeder nahm seinen Schlafsack und Taschenlampe und zog los. Peter I und Peter II gingen in ihre Sturmzelte, welche sie unterhalb der Romeo-Viktor aufgestellt hatten und Markus, Urs, Gaby und ich ins Schneeloch. Die beiden Weisesten, meine Eltern, blieben in der Hütte. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir Ruhe im Loch hatten. Ich hatte ursprünglich bedenken, dass man doch kalt hat in einem Schneebiwak. Doch ich wurde des anderen belehrt. Durch den Schnee sah man die Blitze leuchten und ganz leise den Donner rollen. Draussen blies der Wind ganz ordentlich. Doch uns störte dies wenig. Gegen 2 Uhr erst schlief ich dann endlich tief ein und wurde morgens gegen 6.30 Uhr von Motorenlärm geweckt. Schnell raus aus den Federn. Die HB-ORV lief schon und die beiden Zeltbewohner waren bereit für einen Frühstücksflug. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich lief zu unserer Geiss, befreite sie aus ihrer Gefangenschaft, liess den Motor an und startete bereits nach wenigen Aufwärmminuten. War das schön! Aufstehen und fliegen! und dass um 6.45 Uhr! Wir haben mit der Gletscherfliegerei ein Privileg, welches man nie und nimmer aufgeben darf und für welches es sich jederzeit lohnt zu kämpfen! Nach einigen Landungen nahm ich Urs mit. Er war noch nie mit einem Flugzeug auf Gletschern gelandet. Wir machten etliche Landungen auf dem ganzen Kanderfirn verstreut. Es war himmlisch und einmalig!
Ich sah, dass die HB-ORV wieder zur Mutthornhütte zurückkehrte. So flogen auch wir zurück. Nach der Landung gings zum Frühstück. Heisser Kaffee mit Spiess und Brot standen schon auf dem Tisch. Wie gut das tut, morgens eine Tasse Kaffee zu trinken!
Danach wurde organisiert und eingeteilt, wer mit wem runter nach Raron fliegt. Peter nahm meinen Vater und meine Frau mit und ich flog in 3 Rotationen Urs, Markus und meine Mutter zurück in die Zivilisation.
Nach einem herzhaften Abschied waren sich alle einig: Dieser Ausflug soll zur Tradition werden in Zukunft! Ich freue mich schon heute darauf!
Andreas Furrer Riederalp im Juni 2005