Nach dem grossen Zuspruch der letzten beiden Jahre hatte die AFPM assocociation française des pilotes de montagne am 19. März erneut zu einem Treffen im Skigebiet von Super Dévoluy geladen. Der Termin war seit langer Zeit in unserem Kalender tiefrot markiert. Denn nicht nur Dévoluy selber wollten wir uns nicht entgehen lassen, sondern ebensowenig ein paar eisige Leckerbissen auf dem Weg in die Französischen Südalpen.
Nach je einer Landung auf dem Wildhorn und dem Trient Gletscher liegt bald einmal dieses herrliche Seitental oberhalb von Chamonix an unserem Weg. Völlig klar, dass wir hier einfliegen und bald einmal unsere Super Cub auf dem südlichen Firnfeld des Glacier d’Argentière aufsetzen lassen.
Völlig unerwartet stapften wir hier nach der Landung auf dem recht steilen Hang in kaltem lockerem Pulverschnee herum. Offenbar ist dies hier der absolut einzige Ort in den Alpen, an dem die Temperaturen auch tagsüber bisher noch nie über die Null Grad Grenze gestiegen sind.
Nur knapp wird der rund 9 Kilometer lange Talkessel durch die Morgensonne geküsst, und so bleiben die steilen Felsklippen rundum das ganze Jahr über völlig vereist und bilden eine atemberaubende Kulisse in völliger Abgeschiedenheit.
Bald schon heben wir wieder ab und fliegen in den nächsten Talkessel zum Mer de Glace, von wo aus sich unsere Blicke ehrfürchtig auf den Glacier du Géant und die hochaufragenden Vorgipfel des Mont Blanc richten. Wir befinden uns auf 3000 Meter Flughöhe und können es fast nicht glauben, wie hoch über uns sich die höchsten Gipfel der Alpen noch auftürmen.
Die Nase des Flugzeuges 30 Grad nach links gedreht zeigt sich uns dieses Bild. Es ist der Kessel des Glacier de Lechaux, auf dem wir Landespuren ausmachen. Der Lechaux ist ein Gletscher, der in meiner Karte nicht mit dem Wort homologé sondern mit utilisé bezeichnet ist. Wir beschliessen daher unserm ersten Reflex zu widerstehen und ihn einstweilen in Frieden zu lassen.
Besonders schwer fällt uns das aber nicht, denn weitere 30 Grad zur Linken öffnet sich eine weiterer breiter Einschnitt, den der mächtige Glacier de Talèfre einnimmt. Deutlich ist zu erkennen, dass die Schneebedeckung hier nicht gerade üppig ist. Doch wir machen diverse Spuren von Flugzeugen aus und landen zunächst in den extrem steilen Hang etwa in der Bildmitte, um einen Eindruck zu bekommen, wie etwa die Schneebeschaffenheit sein könnte. Solche Landungen haben den grossen Vorteil, dass sie dank extrem kurzer Lande und Startstrecken das Flugzeug nur kurzzeitig und sehr wenig belasten, sollte die Schneeoberfläche doch eher wellig und hart sein.
Nach der ersten Landung am Steilhang direkt oberhalb des linken Flügels, wagen wir ein zweite nun aber in die Fläche. Der Eindruck aus der Luft hat nicht getäuscht und der Gletscher ist hart und relativ uneben. Einzelne Steine der Mittelmoräne, die die Schneedecke durchdringen deuten erneut darauf hin, dass hier diesen Winter fast kein Schnee gefallen ist.
Talauswärts Richtung Aiguille Verte bietet sich uns dieses eindrückliche Bild. Der Schnee ist noch gefroren und wird erst am Nachmittag etwas auffirnen.
Das Mer de Glace endet unmittelbar oberhalb des Tales von Chamonix, in dem mehr 50 000 Menschen leben. Es ist daher zu verstehen, dass sich die Glaziologen grosse Sorgen über tief im Gletschereis verborgene Gletscherseen machen, die plötzlich ausbrechen und das ganze Tal
überschwemmen könnten.
Von der 4000 Meter hohen Westflanke des Mont Blanc drohen wegen der Klimaerwärmung dagegen direkte Eisabbrüche, die ohnen grosses Probleme das Tal erreichen könnten.
Nach einer kurzen Landung in Megeve für die Zollabfertigung und zum Tanken fliegen wir nach Süden weiter und sehen schon bald am Horizont einen weiteren imposanten Gletscher am Wegesrand auftauchen. Es ist der St. Sorlin, der nur wenige Flugminuten nördlich von L’Alpe Huez liegt.
Da der St. Sorlin 100% ein homologierter Gletscher ist, kann uns auch die Tatsache, dass an unserem Zielort hungrige französische Gebirgspiloten sicher schon das Buffet stürmen, nicht davon abhalten auch hier noch einen kurzen Zwischenhalt einzulegen. Zwei Jodel Musquetaire sind schon da und irgend einen kleinen Fauxpas massen sie hinter sich haben, sehen wir doch zwei Passagiere mühsam von einem Seitental mit Landespuren ihren Weg zurück zu den Flugzeugen bahnen, die sie von dort offenbar nicht mehr haben ausfliegen können. Wenn das keinen Hunger und Durst gibt!
Nach dem Vorbeiflug an der Alpe Huez und dem Ãœberfliegen des Bergklosters Notre Dame de la Salette, in dessen unmittelbarer Nähe sich ein schwieriger Gebirgslandeplatz befindet…
…. nähern wir uns unserem Ziel dem Bergrücken von St. Etienne en Dévoluy.
Der Landeplatz von Dévoluy liegt unmittelbar im Skigebiet auf ca. 1800 Meter und ist mit etwa 450 Meter Länge und 7% Gefälle recht angenehm. An seinem oberen Ende sind rechts und links der Piste schon diverse Flugzeuge abgestellt….
… während sich ihre Piloten todsicher schon ins nahe gelegene Restaurant im Hintergrund geflüchtet haben dürften.
Die Landung ist wie man so oft hört, völlig unspektakulär und nach dem Aussteigen gilt unser erster Blick der versammelten Armada. Wie vermutet ist kein Pilot mehr da, und La Grande Bouffe dürfte schon in vollem Gange sein.
Wir warten kurz auf die Landung, der uns begleitenden Champ OE-ADE aus Oestereich, die von Arno Thurnbichler und Roland Gfader pilotiert wird.
Nach einem kurzen Blick zurück zu unserem privilegierten Abstellplatz ganz oben auf der Plattform …
… marschieren auch wir den kurzen Weg zum Restaurant Vi Ai Pi.
Etwa 80 Piloten und Mitflieger haben sich eingefunden und den Aperitif bereist vollständig vernichtet.
Wir finden noch ein Plätzchen gegenüber von Robert Barrier, dem Präsidenten der European Montain Pilots und seiner Partnerin. Da auch sie Gebirgpilot und im gleichen Flugzeug angereist ist, gelingt es ihr trotz aller Handgreiflichkeiten nicht, ihren Robert ans Trockene zu setzen.
Irgendwie steigert der Gang zum WC unsern Hunger noch….
… doch Abhilfe ist nicht fern. Erneut wird auch dieses Jahr das Mittagessen für alle Flieger von der Gemeinde von Dévoluy übernommen. Ein herzliches Dankeschön dafür!
Wie man sieht, sind wir mit dem Verlauf des Tages vollauf zufrieden und sehen doch ziemlich glücklich aus für ein so altes Ehepaar.
Beim Rundgang fällt mir diese Tafel an der Wand der Terasse auf, die zeigt wie hoch der Stellenwert der fliegenden Gäste hierzulande ist. Ganz typisch ist, dass oberhalb des bisherigen Landeplatzes seit dem letzten Winter noch ein zweiter erstellt wurde, der allerdings momentan leider abgeweht ist. Nicht weniger als 4 Landeplätze, wovon einer auch mit Rädern angeflogen werden kann, sind in den Südalpen im letzten Jahr neu homologiert worden. Erneut wird uns in Aussicht gestellt, dass auch Super Dévoluy bald so begrünt sein wird, dass auch Besuche im Sommer möglich sein werden.
Unser Präsident Noel Genet steht schon und bald bald einmal muss die Tafel wieder aufgehoben werden, haben doch einige Piloten einen recht langen Rückweg auf vor sich. 2h 30 sind es für uns ohne Zwischenlandung.
Wer will kann sich doch tatsächlich zum Flugzeug mit dem Taxi chauffieren lassen. Doch die alten Säcke Gebirgspiloten lassen sich nicht lumpen, beissen auf die Zähne oder wenigstens auf die Pilgern und schleppen sich pfeifend den 200 Meter langen Hang zum Fluggerät hinauf.
Das grosse Abschiedszeremoniell kann beginnen. Wer gute Augen hat, kann erkennen, dass die HB-OPH nicht der einzige Schweizer Flieger vor Ort ist. Ebenfalls angereist sind: die beiden Super Cub HB-ORV, HB-PIC, die Cessna 150 HB-CMS und die Cessna 180 HB-CQE. Ausserdem sind auch Denis Rudaz und Nicolas Nuoffer mit einer Musquetaire von Mégève angereist.
Die ersten Flugzeuge werden bergab gestellt.
Anlauf genommen….
… und zügig beschleunigt.
Während die ganz Kleinen hinten anstehen…
… hält uns nichts mehr. Wir richten unsere Nase gegen Norden. Und siehe da, nach etwa 6 – 7 Flugminuten taucht ein Bergrücken auf, der so einiges verspricht.
L’Alpe de Grande Serre ist ein Platz der erst seit etwa einer Woche angeflogen werden darf. Es versteht sich von selbst, dass hier nicht vorbei geflogen werden kann und einfach eine Landung erfolgen muss. Der Platz ist mit etwas über 20% extrem steil. Man sollte sich möglichst weit (auf dem Bild) links halten, dann hat man eingermassen die Gewähr, dass keine Skifahrer unterhalb die Startpiste queren, die vom Scheitelpunkt aus kaum einsehbar ist.
Dieser herrliche Ausblick gegen Südwesten auf der Alp Serre in die untergehende Sonne überzeugt uns, dass es nicht immer ein Gletscher sein muss, der einen Gebirgspiloten ins Schwärmen bringt.
Nach dieser letzten Gebirgslandung des Tages geniessen wir noch einen schönen ruhigen Flug zurück in die Schweiz. Wir haben heute wahnsinnig viel gesehen, zahlreiche Landungen auf Gletscher und Bergen gemacht, viele alte Freunde getroffen und ein herrliches Picknick genossen. Glücklich und ermattet fallen wir am Abend in einen sicher nicht traumlosen Schlaf.
Hans & Ruth Fuchs